Zu viel Wasser

Sicher ist’s schon aufgefallen. Anstelle, wie einmal die Idee gehabt, steuern wir seit Panama wieder nordwärts und nicht Richtung Westen. Salopp formuliert, hat es uns westwärts von Panama zu viel Wasser und zu wenig Land. Vor allem dem Skipper erschien die Vorstellung von fast 4’000 Seemeilen auf See oder drei bis vier Wochen westwärts zu den Marquesas wenig verlockend, trotz der zu erwartenden paradiesischen Inselwelt hinter dem Horizont. Zusätzlich für eine Planänderung sprach auch, dass man ab Panama so richtig weit weg ist; Flüge nach Hause dauern sofort deutlich länger, sofern man dann einen Flughafen in der Nähe hat. Ersatzteile benötigen vielleicht Wochen bis sie verfügbar sind, und den erfahrenen Mechaniker findet man vielleicht auch erst auf der übernächsten Insel. Zu viel Wasser weiterlesen

Eichen sollst du meiden, Buchen sollst du suchen

Sind alle Luken zu und das Beiboot festgezurrt?

Wir liegen vor dem kleinen, beschaulichen Ort St. Michaels, etwa südlich von Annapolis in einem Seitenarm der Chesapeak Bay vor Anker und bereiten uns gerade auf ein aufziehendes Gewitter vor. Leider sind wir das grösste Segelboot vor Anker und jenes mit dem höchsten Mast – bei Gewitter sind wir immer froh, wenn es noch andere Boote mit höheren Masten in der Nähe hat. Oder eben, Buchen und höhere Masten sollst du suchen! Eichen sollst du meiden, Buchen sollst du suchen weiterlesen

Ein Jahr unterwegs mit Richard Parker

Seit einem Jahr sind wir unterwegs – unzählige bereichernde Erlebnisse, Erfahrungen und Bekanntschaften durften wir machen!

Davon wollten wir hier erzählen, nur allein die Muse fehlte, um zu schreiben. Warum? Sie wurde von grauen Wolken über dem so grossartig gepriesenen Land, welches wir gerade bereisen, vertrieben. Graue Behörden Wolken, welche uns, mit einem Hauch eines hähmischen Grinsens, dazu zwingen, mal kurz quer durch den Golfstrom zu segeln, ungeplant die Bahamas zu besuchen und dann wieder 400 Seemeilen weiter nördlich in das Land unbegrenzter Möglichkeiten einzureisen. Damit tilgen wir einen schwarzen Flecken in der Liste unserer bereisten Länder, welcher für Zigarren, Rum, Salsa und seine revolutionistische Vergangenheit steht. Ein Jahr unterwegs mit Richard Parker weiterlesen

El Capitàn del Puerto

Nur noch «Wusch» und dann fertig, «Wusch», mit einer entsprechenden Handbewegung unterstrichen, «Wusch», ausdrucken meint der Capitàn del Puerto. Und dann haben wir endlich unser Cruising Permit. Endlich, jenes Dokument, das uns erlaubt, in den Gewässern von Panama legal zu segeln und vor allem die Grundlage dafür ist, dass wir das noch mehr ersehnte «Zarpe internacional» erhalten können, die Ausreisegenehmigung.

Aber wann sei dann das Dokument «gewuscht»? Schwierig zu sagen, meint der Capitàn del Puerto, schwierig, aber sicherlich in zwei Stunden. Oder morgen, meint er noch zuversichtlicher. El Capitàn del Puerto weiterlesen

Impressionen Kolumbien und Panama

09° nördlich Breite – eine neuer Kontinent

Aufstehen, Badehose anziehen und ins Meer springen. 32°, die Luft noch etwas wärmer. Reinspringen und eintauchen ins türkisblaue Wasser, Seesterne auf dem Grund, auftauchen. Am Horizont unzählige kleine und kleinste Inseln, teilweise nur mit zwei Palmen drauf, hier und da ein anderer Segler, der vor Anker liegt. Das sind die San Blas Inseln. Guna Yala an der Küste Panamas.

Von Sint Maarten aus, sind wir zuerst westwärts nach Saint Croix, US Virgin Islands und dann während fünf Tagen Nächten quer über die karibische See nach Santa Marta, an der kolumbianischen Küste gelegen, gesegelt. Der Südamerikanische Kontinent. Kein Rumpunch mehr, keine Kreuzfahrt-touristen, welche in Scharen durch die Strassen ziehen, keine überteuerten Supermärkte, dafür Maisbrote an der Strassenecke, frische Limonade (Limetten, Wasser, Eis), lokales Bier am Plaza Bolivar nach Sonnenuntergang, die Akazien breiten ihre Äste, wie ein Dach darüber aus und auf den Steinplatten am Boden zaubert das gelbe warme Leuchten der Strassenlaternen ein Schattenspiel. Auf den Bänken rundherum sitzen Liebespaare, eng umschlungen, alte Männer diskutieren und in der Mitte des Platzes tanzt eine Gruppe in weissen, langen Hosen und Shirts «Capoeira»

In Santa Marta schliessen wir unser Boot für vier Tage zu und wandern zur Ciudad perdida, die vergessene Stadt der Tayronans, rund 40 Kilometer von der Küste weg in den Bergen gelegen. Eine abenteuerliche, einmalige, unvergessliche und anstrengende Wanderung. Vor allem, wenn man seit Monaten mehrheitlich auf rund 12 Meter Auslauf beschränkt ist. Die Ciudad perdida wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts von den Tayronans aufgegeben, nachdem fremde, neuartige Krankheiten, durch die spanischen Invasoren eingeschleppt, die Bevölkerung so stark dezimiert hat und der «Mamu», der spirituelle Führer der Tayronans, keinen anderen Ausweg mehr sah, als die Stadt mit ihren «bösen Geistern» welche er mit seiner Medizin nicht bekämpfen konnte, zu verlassen.

Die Wanderung haben wir in einer bunt gemischten Gruppe von Spaniern, Franzosen, Deutschen und einer jungen Amerikanerin unternommen. Sie hat gerade das College abgeschlossen und sich vor dem Studium ein Jahr Zeit genommen, um zu reisen und die Welt zu entdecken. Wie erfrischend und weltoffen waren doch ihre Ansichten zur heimischen Politik, dem aktuellen Präsidenten und den Herausforderungen, welche sich ihr Land in den nächsten Monaten und Jahren zu stellen hat.

Drei Tagesreisen weiter westlich liegen die San Blas Inseln, das autonome Territorium der Guna Indianer, mehrheitlich respektiert von der Regierung Panamas. Über 360 Inseln, weisse Sandstrände, Palmen, Einsamkeit aber auch unzählige Riffe und ungenaue Seekarten – der Traum und Albtraum jedes Seglers.

Eine Woche liegen wir hier vor Anker und geniessen das Nichtstun. Ausser vielleicht einmal am Tag am nahen Riff zu schnorcheln oder bei Sonnenuntergang ein kühles Sol zu trinken, gibt es auch wirklich nichts zu tun. Ende Woche segeln wir dann nach Colon, das atlantische Tor zum Panama Kanal. Dort hoffen wir endlich wieder auf gutes Internet um auch wieder einmal ein paar Fotos hochladen zu können.

Wo kommen all die Segler her?

Seit Martinique haben wir fast jede der karibischen Inseln bis nach St. Maarten besucht, mal einige Tage bis Wochen, mal auch nur eine Nacht vor Anker in einer Bucht gelegen. Je weiter nördlich wir kommen, desto europäischer oder vielmehr, desto gewohnter erscheinen die Inseln. Die Franzosen, die Engländer und die Niederländer haben «ihren» Inseln jeweils unverkennbar ihren Stempel aufgedrückt. Und trotzdem oder gerade deswegen ist es auch Karibik. Denn, wir erleben die Karibik als eine vielfältige Mischung von Bildern; traditionell mit weissen Sandstränden und türkisblauem Wasser, farbige, einfache Hütten, mit Wellblech gedeckt, dunkle, lachende Gesichter und verträumte Ankerbuchten. Und daneben eben auch die Moderne, dreckige Städte, lauter Verkehr, riesige Supermärkte, grellblinkende Casinos und hektische Yachthäfen und unfreundliche, kurz angebundene Menschen. Doch sobald die Sonne sich dem Horizont wieder nähert, vereinen sich all die unterschiedlichen Bilder zum ur-karibischen Ritual, dem Sun Downer. Und man trifft sich zum Rumpunch, verabschiedet gebührend den Tag und begrüsst die Nacht. Und nur die Preise des Rumpunches erinnern einem daran, in welcher Ecke der Karibik man gerade verweilt.

Und bei genau so einem Glas Rumpunch sinnieren wir darüber, was man eigentlich mitbringen muss, um eine solche Reise, wie wir sie tun, überhaupt machen zu können. Rasch sind wir uns einig, dass es klar etwas Geld dazu braucht, doch die Menge ist relativ und richtet sich stark nach den eigenen Bedürfnissen. Wir kennen Leute, welche mit einem Bruchteil unseres eigenen Budgets und andere, welche mit einem Vielfachen davon reisen – alle erscheinen glücklich in ihrer Art. Aber gibt es einen gemeinsamen Nenner, welcher all die Seglerinnen und Segler eint? Einen bestimmten Charakterzug, eine ausgeprägte Neugierde, einen Sinn für Abenteuer, ein Händchen für Reparaturen, Sehnsucht nach der Ferne, Improvisationsgeist und Interesse an der Welt und seinen Menschen? Oder muss man bloss ein Träumer sein?

Träumer haben wir kaum getroffen, aber alle hatten einen Traum, eine Idee und gepaart mit dem Willen, die Leinen zu lösen und über den Horizont zu segeln. Wo findet man aber solche Menschen im Alltag daheim? Und warum trifft man sie erst in den Ankerbuchten und Häfen?

Wir raten, sucht doch mal das Gespräch mit einem Alphornbläser, Anwalt, Arzt, Berater, Betriebswirt, Bootsbauer, Buchhalter, Chirurgen, Fahrlehrer, Filmemacher, Forscher, Glasbläser, Hundeführer, Ingenieur, IT Spezialist, Labor Assistenten, Lehrer, Mordkommissar, Narkosearzt, Ölbohrungsspezialisten, Personalentwickler, Personalfachmann, Physiotherapeuten, Stripclubbesitzer, Studenten, Tankstellenwart, Venture Capital Investor, Verkaufsfachmann, Wirt oder einem Zimmermann – alles Seglerinnen und Segler, welche wir getroffen haben.

Hart erkämpfter Überfluss

Unsere Reise führte uns die letzten Wochen von Barbados aus nach Mustique, südwärts über Canouan in die Tobago Cays, dann wiederum nordwärts nach Bequia und Saint Lucia und zuletzt bis nach Martinique.
Jede besuchte Insel war in ihrer Art einmalig und hat jeweils auf ihre ganz eigene Weise uns eine besondere Facette des karibischen Lebens aufgezeigt. Nach dem eher einfachen und, vor allem in der Hauptstadt Bridgetown, recht dreckigen, lauten Barbados, mit Strassenhändlern, welche die einzelne Tomate zu 2 US Dollar verkaufen, war vor allem unser nächster Halt so kontrastreich, wie er kaum mehr sein könnte. Mustique, die Insel der Schönen und Reichen, der Berühmten und Mächtigen. Grosse Teile der Insel sind für die wenigen Tagestouristen und Yachties gesperrt. Sicherheitspersonal wacht streng darüber und weist freundlich aber sehr bestimmt darauf hin, wenn man die zugewiesenen Pfade verlässt. Mit einem ausgeklügelten System wird dafür Sorge getragen, dass die Schönen und Reichen dem gewöhnlichen Volk möglichst selten begegnen. So mussten wir zum Beispiel für den obligatorischen Besuch der Zoll- und Einwanderungsbehörde am zwei Kilometer entfernten Flughafen ein Taxi nehmen. Ein Spaziergang über die Insel sei kategorisch verboten. Man könnte ja Mike Jagger in Badehose begegnen oder Prince Williams, ebenfalls in Badehose. Je nach Grad der Prominenz der Schönen und Reichen, werden die frei zugänglichen Bereiche noch zusätzlich begrenzt. Somit gibt es offensichtlich auch unter den Schönen und Reichen verschiedene Kategorien. Schöne und Reiche und noch Schönere und Reichere. Wer nimmt wohl diese Einteilung vor? Wer entscheidet darüber, wer noch Schöner und noch Reicher ist? Und was wird noch zusätzlich gesperrt, wenn es eines Tages noch einmal Schönere und Reichere gibt als bereits die Schöneren und Reicheren? Die Insel ist begrenzt, einmal ist gesperrt, was gesperrt werden kann. Was bleibt dann noch übrig?

Zum Glück ist es aber in Mustique noch nicht soweit. Und die Regeln werden teilweise auch etwas lascher interpretiert. So war es zum Beispiel kein Problem, vom Flughafen zur Ankerbucht zu Fuss zurück zu kehren. Es hätte auch gar kein Taxi gehabt am Flughafen. Denn, wenn ein Privatjet ankommt, wartet eh ein Chauffeur und andere Passagiere, welche ein Taxi benötigen würden, kommen erst gar nicht an.


Einmal täglich kommt die Fähre von der nahen Insel Saint Vincent und bringt alles, was auf der Insel benötigt wird. Frische Erdbeeren, Ersatzteile für die Nespresso Kaffeemaschine, Langustenschwänze, Betonmischer und Dachziegel, Köche und Personal, etc. Jeweils um zirka vier Uhr nachmittags legt sie an und ab fünf Uhr ist die Ware dann im einzigen lokalen Supermarkt angeliefert und bereit für den Verkauf. Und dann passiert jeweils etwas, was nur die normalen Tagestouristen und Yachties erleben. Ein exklusiver Einblick in das Leben auf Mustique, welcher nur mit Normalität, Mittelmass und beschränkten finanziellen Möglichkeiten zu erleben ist. Die tägliche Schlacht um all jene Güter, welche wohl in den Villen und Palästen der Schönen und Reichen ganz alltäglich und selbstverständlich erscheinen mögen. Vierzig, fünfzig Golf Cars stauen sich in der Strasse vor dem Supermarkt, jede Villa schickt den Koch und sein Personal zum Einkaufen. Drinnen geht es heiss zu; Rinderfilet und Spargeln, kistenweise, man reisst sich die Dinge fast aus den Händen, laute Rufe nach Erdbeeren, Himbeeren. Früchte, Saisonalität und Regionalität sind kein Thema, Moet und Dom Perignon Champagner in offenen Kartons am Boden, man kauft nur Magnum-Falschen, Nespresso Kapseln in allen Farben, Langusten und Hummer, lebend und tiefgefroren, nichts, was es in diesem Supermarkt am Abend um fünf Uhr nicht gibt – ganz anderes eine Stunde später. Da steht etwas verloren meine bessere Hälfte im Gewühl und fragt nach Eiern. Zwölf an der Zahl. Nur dank ihrer Hartnäckigkeit kriegen wir die auch, abgezählt in einer Plastiktüte.
Wie bringen wir diese bloss heil mit dem Gummiboot zurück aufs Schiff?

Wie war’s?

Wie es war? Darauf eine Antwort zu geben ist nicht so einfach; es war irgendwie etwas von allem. Es, die Atlantiküberquerung, war grundsätzlich erfolgreich, sind wir doch mit dem Ziel gestartet, den Atlantik zu überqueren und haben es auch vollbracht. Nach knapp 22 Tagen und über 5’000km sind wir wohlbehalten in Barbados angekommen. Und da nun westwärts die karibische See und der Golf von Mexico liegen, dürfen wir sagen, dass wir den Atlantik wirklich überquert haben. Wie war’s? weiterlesen