Tag 15 bis 17

14°15,792 N 046°57,385W
COG 275°, guter Wind, wir kommen voran, noch 700 Seemeilen bis Barbados.
Haushalt ist anstrengend, nicht nur grundsätzlich, sondern auf einem Boot unterwegs ganz besonders. Alles ist ständig in Bewegung, die Arbeitsfläche kippt nach links, nach rechts nach vorne und hinten. Der Kochherd schaukelt im Takt der Welle und verströmt unter Deck eine Hitze, die kaum zum Aushalten ist. Die Köchin verkeilt sich hinter der Küchenzeile, versucht sich mit den Füssen und Knien einen Stand zu sichern, damit sie mit den Händen arbeiten kann. Ein wahres Kunststück! Der Abwasch besorgen wir gemeinsam am Heck, in zwei grossen Eimern. Gewaschen wird mit Salzwasser, einzig die Gläser spülen wir mal mit Süsswasser aus dem Tank. Es ist wie Camping, nur mit ständigem Schaukeln.
Werden wir langsam verrückt? Wieder und immer wieder hören wir Stimmen. Liegen wir unten in der Koje, schrecken wir auf, da draussen mehrere Männer diskutieren. Ist da ein anderes Boot? Nachts auf der Nachwache hören wir spielende Kinder, streitende Frauen. Nie verstehen wir ein Wort wirklich, aber die Stimmen hören wir beide. Und nicht nur wir. Auch andere Segler erzählen, dass sie Stimmen hören und gerade in der Nacht auch Gestalten und Getiere sehen. Es ist, als ob das Hirn uns Erinnerungen vorspielt und Dinge vorgaukelt, die vielleicht einmal waren aber heute und jetzt gar nicht sind. Spannend ist, dass auch in der Geschichte der Seefahrt immer wieder von Stimmen erzählt wird, welche die Seefahrer teils geleitet und teils aber auch verleitet haben. So zum Beispiel auch die Sirenen von (und hier verlässt mich das Wissen zur griechischen Mythologie und Google ist auch nicht zugreifbar).

Tag 12 bis 14

15°14,8N 038°55,3W
Kurs über Grund (COG) 270°
Plan: Bis Sonntag weiter bis Kurs 270°, dann dreht der Wind gemäss Vorhersage auf ESE, wir halsen und versuchen Kurs 250° zu steuern um damit deutlich südlicher zu kommen, bis ca. 14°N. So, wenn der Wind wieder auf ENE dreht, wir mit Raumkurs nach Barbados segeln können.

Endlich ist der Wind da!
Und wir kommen immer südlicher; während uns Nachrichten von daheim erreichen, welche von -2 Grad berichten, verbringen wir mittlerweile auch die Nachtwachen nur noch in Short und T-Shirt.
Squalls, ein für die Gegend typisches Wetterphänomen, welche jeweils viel Wind, Regen und auch Blitz und Donner bringen, treffen uns ein bis zweimal täglich. Tagsüber nutzen wir die kräftigen Regenschauer für eine Süsswasser Dusche an Deck. Erfrischend und wassersparend. Wird der Squall jedoch von Blitz und Donner begleitet, verziehen wir uns unter Deck und legen die wichtigsten elektronischen Geräte (Sat Phone, iPad, Mobile Phone) in den Backofen, damit sie bei einem allfälligen Blitzeinschlag geschützt sind. Am Morgen, wenn wir Brötchen aufbacken, schauen wir dann immer zweimal, ob wir alle Geräte wieder rausgenommen haben.
Heute haben wir Besuch. Ein weisser, ziemlich zerzauster Vogel mit gelbem, spitzem langen Schnabel sass lange Zeit bei uns auf dem Anker, vorne am Bug und erholte sich offensichtlich von einer langen Flugstrecke. Der Anker wurde ihm jedoch mit der Zeit wohl zu unbequem und nach einigen Flugrunden rund um unser Schiff, wählte er sich einen neuen Rastplatz. Ja, ihr ahnt es sicherlich, wo der Vogel sich wieder hinsetzte. Genau, wiederum oben im Mast auf den Windmesser! Glücklicherweise jedoch nicht für lange Zeit. Nach einer Stunde flog er, erholt, wieder weg. Abends erreichte uns die Nachricht von einem anderen Boot, rund 10 Seemeilen entfernt, dass sie einen Besuch an Bord haben. So kommt Vogel auch nach Amerika…
Wir feiern „Halbzeit“ und das mit einer Flasche Prosecco Bottega Gold – ein Abschiedsgeschenk meines ehemaligen (Dominique) Arbeitgebers.

Tage 8 bis 11, Position 15°15,88N 030°57,46W

Atlantik Überquerung ist wie auf den Zug warten – irgendeinmal kommt der Wind oder eben der Zug. Ständiges auf die Uhr gucken nützt nichts. Der Zug kommt nicht früher. Auf dem Bahnsteig hin und her gehen, mal eben bis zum nächsten Selecta Automaten, nützt nichts. Der Zug kommt nicht früher an. Die 20 Minuten Zeitschrift noch ein zweites Mal lesen, diesmal sogar alle Horoskope, nützt nichts. Der Zug kommt, wann er kommt, oder eben, der Passat Wind kommt, irgendeinmal und weht uns nach Barbados.
Immer noch Flaute, kein Wind oder bloss ein Hauch, welcher aber das Schiff kaum vorwärtsbewegen vermag. Dafür gab es heute aus der Bord-Bäckerei frische Apfeltörtchen. Lecker! Sehr lecker! Es hat also doch auch Vorteile, in der Flaute zu stecken. Bei Wind und Welle hätte es wohl bloss Pasta gegeben.
Und jeden Morgen ein trauriges Zeremoniell: Seebestattung von Fliegenden Fischen, welche sich wohl nachts verfliegen und bei uns an Deck notlanden, dann aber nicht mehr rechtzeitig wieder ins Wasser kommen.
Wir sind bereits auf 15° Nord, noch knapp 1’500 km vom Äquator entfernt. Das Meer ist fast 28°, die Luft weit über 30°. Soweit südlich geht kaum einmal ein Boot, wenn es den Atlantik überqueren will. Meist findet man vorher die Passat Winde. Von unserer Flotte sind wir nur zwei Boote, alle anderen haben versucht, das riesige Gebiet ohne Wind nördlicher zu durchfahren. Wir glauben, südlicher haben wir bessere Chancen, bald Wind zu finden. Hoffentlich geht unsere Taktik auf.
Wir hissen jeden Quadratzentimeter Stoff, um jeden, noch so kleinen Windhauch einzufangen. Am Vorstag setzen wir nebst der Genua auch gleich den Gennaker, zudem das Grosssegel und überlegen, wie wir das Sturmsegel vielleicht auch noch «geschwindigkeitsbringend» setzen könnten. Und ein altes T-Shirt hätte ich auch noch. Morgen soll es endlich Wind geben!
Morgen, Morgen soll es Wind geben!

Tage 4 bis 7 Position 19°33,9N 026°33,5W

Abwechslungsreiche Tage; perfektes Segelwetter, flaches Wasser, genügend Wind, Delfine, dann aber auch sehr viel Wind, viel zu viel Welle; da haben wir beschlossen, alle Luken und den Niedergang dicht zu machen und unter Deck, liegend in den Kojen, den Tag und die Nacht zu verbringen. Nur alle 20min haben wir kurz rausgeschaut ob noch alles ok ist. Es war ok.
Und jetzt sind wir auf der Suche nach dem Wind. Die verschiedenen Wetter Prognosen sind sich nur darin einig, dass es schwierig ist, den Wind im Moment vorherzusagen. Die sonst so verlässlichen Passatwinde sind dieses Jahr leider nicht so verlässlich und daher kriegen wir Prognosen wie «variable Winde aus allen Richtungen zwischen 2 und 5 Windstärken» – und das von France Meteo. Hallo!
Mit einem anderen Segler, welcher nur ein paar Meilen neben uns segelt haben wir uns ausgetauscht und sind uns einig, je weiter südlich, desto eher finden wir Wind. Und so segeln wir mal rascher, mal langsamer Richtung Südwesten und versuchen, den Motor zu wenig wie möglich zu gebrauchen, da der Diesel sowieso nur für rund einen Drittel der Strecke reichen würde.
Heute feierten wir «25%». Bereits über 700 Seemeilen haben wir auf dem Weg nach Barbados zurückgelegt. Das Wasser wir von Tag zu Tag wärmer, begonnen hatten wir bei 22° – heute sind es bereits jetzt, abends um zehn Uhr, 26.4°.
Vorhin hat uns aber noch die Nachricht erreicht, dass Segler, welche wir vor ein paar Wochen über gemeinsame Freunde kennengelernt haben, ihre Reise unter dramatischen Umständen aufgeben mussten; die Crew ist heil und sicher an Land, das Boot ist jedoch verloren. Wir sind in Gedanken bei euch, liebe Noah!

Kurzmeldung aus dem Atlantik

Tag 1 bis 3
Position 24°06,9N 021°04,2W
Wir sind unterwegs und stecken doch schon wieder fest. Am ersten Tag konnten wir noch ein Etmal (zurückgelegte Distanz innerhalb von 24 Stunden) von 145 Seemeilen ausweisen. Am zweiten Tag jedoch dann nur noch 98 Seemeilen, und die Hälft davon auch nur deshalb, weil wir den Motor zur Unterstützung hatten. Wir stecken in einer Flaute fest. Die Segel schlagen hin und her und trotz zupfen und ziehen an allen Ecken und Kanten, erreichen wir kaum Geschwindigkeiten von mehr als drei Seemeilen pro Stunde. Wenn das so weitergeht, brauchen wir rund 40 Tage bis nach Barbados.
Abwechslung bietet da der Austausch mit anderen Yachten auf der Strecke, welche zwar kaum mehr am Horizont zu erkennen sind, jedoch über Satelliten per Email und SMS gut erreichbar sind. Und so erfahren wir, wer welchen Fisch wie gefangen und gegrillt hat und wem es bereits etwas langweilig ist und wer welche Leinen durchgescheuert hat.
An Bord ergibt sich langsam eine Routine. Frühstück nach Sonnenaufgang und Kontrolle des Rigg, Taue und Segel, Mittagessen und Wetterbericht einholen, Schiffchenversenken mit den Freunden daheim spielen und vor Sonnenuntergang wiederum eine Kontrolle des Schiffes und Vorbereitungen für die Nachtfahrt treffen. Dazwischen lesen, schlafen, träumen, sinnieren. Die Wachen teilen wir uns auf, im Moment experimentieren wir noch etwas mit den idealen Wach- und Schlafzeiten.
Highlight jedes Tages ist unser Überfahrtskalender. Für jeden Tag haben wir uns gegenseitig eine kleine Überraschung überlegt und in eigens dafür genähte Säckchen eingepackt. Morgen bin ich wieder dran mit Auspacken!

Sechs Monate unterwegs – ein Rückblick

Seit dem Einwassern im Mai in Stavanger haben wir fast 3’000 Seemeilen zurück gelegt und die europäische Westküste vom hohen Norden bis in den Süden besegelt. Nun liegen wir in Puerto Santa Cruz auf Teneriffa und bereiten uns auf die Überquerung des Atlantik vor. Rund 2’700 Seemeilen schier endlose Wasserfläche, drei Wochen Reise bis wir am Horizont, so Wind und Wetter will, Barbados entdecken werden. Sechs Monate unterwegs – ein Rückblick weiterlesen

Die Möwe

Viele Segler auf Langfahrt berichten immer wieder vom Versagen der Technik, Bruch, Reparaturen, Ausfällen, Fehlfunktionen und im Hafen treffen wir immer wieder Gleichgesinnte, die Seiten füllende Listen von zu reparierenden oder zu optimierenden Teilen ihres Bootes führen und Tag für Tag die Liste abarbeiten, während immer fort neue Pendenzen dazukommen. Segler haben den Spruch geprägt «Langfahrt ist, an den schönsten Orten der Welt das Boot zu reparieren». Die Möwe weiterlesen