Nanortalik, Regen, Nebel und gefühlte 10°C – wir liegen an der Pier, bei Royal Artic, dem nationalen Fracht-Unternehmen, müssen uns am Sonntag verholen, weil ein Frachter reinkommmt. Aber ansonsten können wir hier liegen. Der Frachter, die MV Mary Arctica, welche hier lag als wir ankamen, hat uns sogar angefunkt, und gemeint, dass sie nach dem Mittag auslaufen würden und wir dann ihren Liegeplatz übernehmen können. Das wünschen wir uns auch beim nächsten Besuch in Hamburg oder so. Haben zudem im Hafengelände eine Steckdose gefunden und dank ein paar Verlängerungskabel, die Heizung läuft, ist es richtig gemütlich an Bord. Diesel soll’s auch irgendwo geben, Wasser müssen wir mit Kanistern holen und Propan Gas finden wir wohl auch noch.
Nur Internet ist in Grönland so eine Sache; aber wir haben ein Restaurant auskundschaftet, das einzige übrigens im Ort, womit die Auskundschaft etwas jämmerlich erscheinen mag, aber es ist ein Restaurant mit Bar und Hotel und Disco, zwar mit etwas sehr eingeschränkten Öffnungszeiten und noch einer eingeschränkteren Menu-Karte, wobei die Karte eigentlich gross ist, jedoch die Karte mit den Dingen, die sie gerade nicht haben, ist eben leider grösser. Aber sie haben Internet und für 7€ kriegen wir dort sogar eine Dusche. Mit frischen Badetüchern und sauberen, warmen Duschen. Um unsere Ankunft zu feiern haben wir uns dort auch einen „Keine-Ahnung-was“-Burger gegönnt, der um Längen besser aussah, als er schmeckte. Was darin war, entzieht sich glücklicherweise unserer Kenntnis. Wir vermuten Robbe oder Eisbärschnitzel, aber könnte auch was Veganes gewesen sein, oder etwas, was auf alle Fälle sicher bereits bessere Tage gesehen hat. Egal, nach fünf Tagen auf See schmeckt alles himmlisch, wobei die Küche an Bord über allem steht! Aber eben ohne schaukeln.
Die letzten 24 Stunden der Überfahrt von Labrador nach Grönland haben uns recht gefordert. Mental und körperlich. Wir wussten, vor der Küste habe es einzelne Eisberge und aber auch Growler, eigentlich kleinere Eisberge, aber mit einer eigenen Bezeichnung. Auch gerechtfertigt, denn sieht man die Eisberge auf dem Radar und optisch ganz gut, sind die Growler kaum von sich brechenden Wellen zu unterscheiden und mit einer Höhe von rund einem Meter über der Wasseroberfläche auch auf dem Radar fast nicht zu entdecken. So haben wir uns entschieden – entgegen dem normalen Procedure, wobei wir rund alle 15 Minuten, den Kopf aus der Kabine strecken, rund herum alles kontrollieren und ansonsten uns auf die Systeme sowie die Einsamkeit dieser Gegend verlassen und die warme, trockene Kabine vorziehen – sobald wir uns bis auf 80 Meilen an die Küste angenähert haben, permanent jemanden an Deck zu haben, der/die Ausguck geht. Bei einer kleinen Crew von zwei Nasen schon etwas fordernd, rechnen wir doch für 80 Seemeilen etwa 14 Stunden Fahrt. Zusätzlich herausfordern kam dazu, dass unser Wettergott in Kassel für die letzten 24 Stunden Reise Nebel vorausgesagt hat, was dann auch haargenau zutraf. Wobei Nebel untertrieben ist, handelte es sich doch um eine dick-zähe, undurchdringbare nebel-artige Masse, welche uns und alles drumherum einpackte und verschluckte. Und so standen wir abwechslungsweise an Deck, starrten ins Leere, in der Hoffnung und im Glauben, dass wir in den ungefähr zwei Bootslängen Sichtweite, einen Growler rechtzeitig erkennen würden und ausweichen könnten. Die Spannung stieg zusätzlich, als der aktuelle Eisbericht genau auf unserer Ansteuerung „bergy waters“ meldete, was so viel heisst, wie „da schwimmt Eis in jeglicher Form rum, hat etwas, mal mehr mal weniger, guckt selber, was ihr damit macht, hier im Büro der Ice-Patrol ist es schön warm und der Kaffee ebenso“. In diesen Momenten machte sich eine wohl alters-bedingte Schwäche beim Skipper zusätzlich bemerkbar, nicht dass er etwa dauernd auf Toilette müsste, aber er bekundete doch einige Mühe, im Nebel scharf zu sehen, den Augen fehlte die Referenz um entsprechend richtig zu fokussieren.
Wir hatten dank der nördlichen Breite jedoch immer etwas Tageslicht, so dass wenigstens unser Scheinwerfer nicht zum Einsatz kommen musste, obschon er wohl die gleiche Wirkung gehabt hätte, wie beim Auto, wenn man bei Nebel aufblendet.
Aber; wir haben es im Vorfeld gewusst und haben uns entsprechend darauf eingestellt und uns abwechslungsweise unter Deck aufgewärmt und versucht etwas Schlaf zu finden. Zu Beginn haben wir uns dabei noch aus den Schlechtwetter-Klamotten rausgeschält, die Schwimmwesten abgezogen, Mütze, Handschuhe neben den Motorenraum zum Trocknen hingelegt. Doch mit zunehmender Dauer, lagen wir genauso eingepackt unter Deck, den „Schlumpf“, ja, einen richtigen Schlumpf oder auch Flauschi genannt, aus alten Beständen der fast besten Armee der Welt, einfach darüber gezogen und ein paar Augenblicke ausgeruht. Bevor schon wieder der Timer klingelte und die Ablösung anstand.
Als dann der Skipper auf der Karte eine Abkürzung zwischen den Felseninseln nach Nanortalik entdeckt hatte, stieg die Stimmung an Bord schlagartig. Aber mit der gleichen, diesmal negativen Intensität sank sie auch gleich wieder, als das Radar vermeldete, dass etwas grosses, massiges mitten in der Abkürzung steckt und somit dieser Weg nicht befahrbar sein würde. So steuerten wir, weiterhin im dichtesten Nebel, den offiziellen Ansteuerungslinien auf der Karte entlang, zusätzlich fast zwei Stunden Fahrt und selbst als das Navigationsgerät meldete, dass wir in 2 Minuten das Ziel erreicht haben, sahen wir noch gar nichts von einem Hafen oder gar von einer menschlichen Ansiedelung. Die Mary Arctica, tauchte dann wirklich sprichwörtlich, direkt vor unserem Bug auf.
Wir sind glücklich und froh eine weitere, grosse Etappe auf unserer Reise bewältigt zu haben. Lag sie uns doch etwas auf dem Magen. Aber es hat alles gepasst, das Boot war bereit, die Crew fit und das Wetter selten gut und vor allem stabil für die gesamte Überfahrt. Einen riesen Dank an Michel, unser Wetterexperte, der uns zweimal täglich über Satellit mit den verschiedensten Analysen zu Wind, Welle, Eis und Nebel versorgt hat.
Wow – spannender Bericht. Toll was ihr so erlebt. Eine wiederum ganz andere Welt. Weiterhin viel Spaß und Glück.
Wir haben es immerhin auch schon bis Maine geschafft und sind kurz vor dem Sprung nach Nova Skotia. Dann geht es jedoch wieder hinunter – in die Wärme.
Liebe Grüße von Heike und Herwig
http://www.sy-worlddancer2-hamburg.de
Dear Vera, Dear Dominique
As Greenland politically belongs to Denmark, so I am very glad to greet both of you and RP „welcome back to Europe“ ! 🙂
I was flying over Arctic last month and it looks astonishingly peaceful and beautiful from above. But obviously sailing through is a tougher job. Thank you for the vivid and interesting blog, which enables the readers like me to follow your route and discover the world, in a different way though. 🙂
I wish you good luck and a continuous safe and interesting journey back home!
Cheers,
Fei
Hallo mitenand
Euer Berichte lese ich jeweils mit viel Freude. Vielen lieben Dank, dass wir an euer Reise teilnehmen dürfen. Super spannend, eifach wow. Geniesst es weiterhin. Viel Freude bei den nächsten Entdeckungen.
Lieben Gruss
André Lang