Ein Tief kommt selten alleine

Wie an einer Schnur aufgereiht, zieht ein Tief nach dem andern von Westen nach Osten über den nordatlantischen Ozean. Während in Mitteleuropa seit Wochen, ja bald seit Monaten ein Jahrhundertsommer vorherrscht, begleitet uns auf unserer Route all das schlechte Wetter, wofür es im sonnenverwöhnten Europa keinen Platz mehr hat. Wir haben auch ein Herz für Tiefdruck-Gebiete, sicher, aber langsam wird’s etwas viel. So Tiefdruckgebiete sind im Umgang recht schwierig. Sie haben einen recht unsteten Charakter, sind launisch und neigen gar teilweise zu Jähzorn. Kommen sich zwei dieser borstigen Tierchen gar zu nahe, reagieren beide mit stürmischen Winden und der Ausbruch ihrer Emotionen wirft gar manche hohe Welle, welche selbst in hundert Meilen Distanz noch zu spüren sind. Kaum etwas mag sie zu beruhigen. Gutes Zureden hilft schon gar nicht!

So versuchen wir uns halt im Umgang mit ihnen, planen unsere Etappen so, dass wir möglichst zwischen zwei Tiefs hindurch rutschen können und bevor das nächste kommt in einem sichern Hafen liegen. Nicht immer gelingt uns das, insbesondere, wenn die Etappe länger als zwei Tage dauert, müssen wir damit rechnen, mindestens zwei dieser Tiefs auszuhalten. Anstrengend.

Seit Halifax reisen wir so gegen Osten, nach Hause. Es soll nicht so tönen, als hätten wir nur Mühseligkeiten erlebt. Ganz im Gegenteil! Die einzigartige Landschaft von Labrador, Grönland, Island und den Faröer. Die unzähligen herzlichen Kontakte. Die Tierwelt des hohen Nordens. Wunderbar! Um nichts in der Welt möchten wir dies missen.

Aber die Reise ist deutlich anstrengender als bisher.

Von Labrador nach Grönland hatten wir grosses Glück und moderate Wetterbedingungen. Nur dichter Nebel und Eis vor der Küste von Grönland gaben uns einen Vorgeschmack auf die Navigation im Norden. Am östlichen Eingang zum beeindruckenden und faszinierenden Prinz Christian Sund lagen wir einige Tage am Pier der verlassenen Wetterstation und warteten auf, natürlich, passendes Wetter. Als es passend erschien, mussten wir jedoch nach rund 300 Meilen abbrechen. Ein besonders hartnäckiges Tief wollte und wollte über Island nicht abziehen. Zurück ging aber auch nicht mehr, denn dort, wo wir herkamen, sass bereits das nächste Tief und lauerte auf uns. Wohin? An der Ostküste von Grönland liegen die Häfen rund 700km auseinander. Da gibt es nicht viele Alternativen.

So sind wir nach Tasiilaq gesegelt, recht unvorbereitet, zwar mit den aktuellen Eisinformationen versehen, aber im Bewusstsein, dass wir mehr als 24 Stunden im Eis navigieren werden müssen und dass wir uns bei der Ansteuerung auf die GPS Koordinaten von einem anderen Segler verlassen müssen, da die Karten nicht wirklich die Realität abbilden. Die Stimmung an Bord war etwas angespannt. Hat sich dann aber sehr rasch gelöst, war Tasiilaq, im Vergleich zu den anderen Orten in Grönland, welche wir besucht haben, eine Entdeckung wert. Und ein feines Abendessen gab es noch dazu. Beim zweiten Versuch nach Reykjavik zu gelangen hat dann alles wieder geklappt. Und wir waren genau vor dem nächsten Sturmtief im sicheren Hafen. Später, auf dem Weg nach Schottland mussten wir wiederum ausweichen. am dritten Tag wurde der Wetterbericht für die Küste von Schottland so schlecht, dass wir 90 Grad nach Links abdrehten und auf die Faröer gesegelt sind. Die Entscheidung war richtig. Kaum im Hafen hat uns das Tief eingeholt und heftig an den Leinen von Richard Parker gezerrt.

Und jetzt, wir wollen nach Schottland. Vielleicht morgen. Das nächste Tief ist erst für Montag angesagt, aber die Nachwirkungen des letzten Tiefs und insbesondere ein frischer nördlicher Wind bringen eine unangenehme Welle nach Süden. Aber was sind die Optionen? Was wollen wir uns zumuten? Soll es 36 Stunden schaukeln sein?

Wir werden sehen.

2 Gedanken zu „Ein Tief kommt selten alleine“

  1. Halle zäme, sehr beeindruckend, Eure Reise! Auch wenn mit Strapazen verbunden, ich bin sicher, die Erlebnisse sind es wert. Bin vorgestern da drübergeflogen, nach Vancouver. Von Schottland über Island, Grönland, (fast) alles unter einer dicken Wolkendecke. Wünsche Euch eine gute Weiterreise, wohin Euch diese auch weiterführt. Bin gespannt.

    Herzliche Grüsse,
    Thomas

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