Hart erkämpfter Überfluss

Unsere Reise führte uns die letzten Wochen von Barbados aus nach Mustique, südwärts über Canouan in die Tobago Cays, dann wiederum nordwärts nach Bequia und Saint Lucia und zuletzt bis nach Martinique.
Jede besuchte Insel war in ihrer Art einmalig und hat jeweils auf ihre ganz eigene Weise uns eine besondere Facette des karibischen Lebens aufgezeigt. Nach dem eher einfachen und, vor allem in der Hauptstadt Bridgetown, recht dreckigen, lauten Barbados, mit Strassenhändlern, welche die einzelne Tomate zu 2 US Dollar verkaufen, war vor allem unser nächster Halt so kontrastreich, wie er kaum mehr sein könnte. Mustique, die Insel der Schönen und Reichen, der Berühmten und Mächtigen. Grosse Teile der Insel sind für die wenigen Tagestouristen und Yachties gesperrt. Sicherheitspersonal wacht streng darüber und weist freundlich aber sehr bestimmt darauf hin, wenn man die zugewiesenen Pfade verlässt. Mit einem ausgeklügelten System wird dafür Sorge getragen, dass die Schönen und Reichen dem gewöhnlichen Volk möglichst selten begegnen. So mussten wir zum Beispiel für den obligatorischen Besuch der Zoll- und Einwanderungsbehörde am zwei Kilometer entfernten Flughafen ein Taxi nehmen. Ein Spaziergang über die Insel sei kategorisch verboten. Man könnte ja Mike Jagger in Badehose begegnen oder Prince Williams, ebenfalls in Badehose. Je nach Grad der Prominenz der Schönen und Reichen, werden die frei zugänglichen Bereiche noch zusätzlich begrenzt. Somit gibt es offensichtlich auch unter den Schönen und Reichen verschiedene Kategorien. Schöne und Reiche und noch Schönere und Reichere. Wer nimmt wohl diese Einteilung vor? Wer entscheidet darüber, wer noch Schöner und noch Reicher ist? Und was wird noch zusätzlich gesperrt, wenn es eines Tages noch einmal Schönere und Reichere gibt als bereits die Schöneren und Reicheren? Die Insel ist begrenzt, einmal ist gesperrt, was gesperrt werden kann. Was bleibt dann noch übrig?

Zum Glück ist es aber in Mustique noch nicht soweit. Und die Regeln werden teilweise auch etwas lascher interpretiert. So war es zum Beispiel kein Problem, vom Flughafen zur Ankerbucht zu Fuss zurück zu kehren. Es hätte auch gar kein Taxi gehabt am Flughafen. Denn, wenn ein Privatjet ankommt, wartet eh ein Chauffeur und andere Passagiere, welche ein Taxi benötigen würden, kommen erst gar nicht an.


Einmal täglich kommt die Fähre von der nahen Insel Saint Vincent und bringt alles, was auf der Insel benötigt wird. Frische Erdbeeren, Ersatzteile für die Nespresso Kaffeemaschine, Langustenschwänze, Betonmischer und Dachziegel, Köche und Personal, etc. Jeweils um zirka vier Uhr nachmittags legt sie an und ab fünf Uhr ist die Ware dann im einzigen lokalen Supermarkt angeliefert und bereit für den Verkauf. Und dann passiert jeweils etwas, was nur die normalen Tagestouristen und Yachties erleben. Ein exklusiver Einblick in das Leben auf Mustique, welcher nur mit Normalität, Mittelmass und beschränkten finanziellen Möglichkeiten zu erleben ist. Die tägliche Schlacht um all jene Güter, welche wohl in den Villen und Palästen der Schönen und Reichen ganz alltäglich und selbstverständlich erscheinen mögen. Vierzig, fünfzig Golf Cars stauen sich in der Strasse vor dem Supermarkt, jede Villa schickt den Koch und sein Personal zum Einkaufen. Drinnen geht es heiss zu; Rinderfilet und Spargeln, kistenweise, man reisst sich die Dinge fast aus den Händen, laute Rufe nach Erdbeeren, Himbeeren. Früchte, Saisonalität und Regionalität sind kein Thema, Moet und Dom Perignon Champagner in offenen Kartons am Boden, man kauft nur Magnum-Falschen, Nespresso Kapseln in allen Farben, Langusten und Hummer, lebend und tiefgefroren, nichts, was es in diesem Supermarkt am Abend um fünf Uhr nicht gibt – ganz anderes eine Stunde später. Da steht etwas verloren meine bessere Hälfte im Gewühl und fragt nach Eiern. Zwölf an der Zahl. Nur dank ihrer Hartnäckigkeit kriegen wir die auch, abgezählt in einer Plastiktüte.
Wie bringen wir diese bloss heil mit dem Gummiboot zurück aufs Schiff?

Ein Gedanke zu „Hart erkämpfter Überfluss“

  1. Gratulation zum aufschlussreichen, unterhaltsamen und auch nachdenklich stimmenden Bericht! Ich freue mich schon auf den nächsten :-)!
    Weiterhin alles Gute auf eurer Reise!
    Gruss aus Bern
    Beat

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