Quer über die Deutsche Bucht

Esbjerg kämpft. Über Jahrhunderte bestimmten die Fischschwärme den Takt der Stadt. Das 18. Jahrhundert galt ganz dem Hering, es schien, als ob es für alle Zeit genug Fisch gab, um all die Einkommen der Stadt zu sichern. Und so fuhren mit jeder einsetzenden Ebbe die Fischer durch die Graense raus aufs Meer und kehrten mit vollen Netzen mit der einsetzenden Flut zurück. Aber zu Beginn des 19. Jahrhunderts verschwanden die riesigen Heringsschwärme. Die Fischer blieben aber.

Um die Einkommen zu sicher, heuerten viele Esbjerger auf Walfängern an und steuerten sodann fern der dänischen Küste liegende Gebiete vor Grönland an. Andere wiederum zogen in den Krieg, denn es war wieder einmal Krieg in Europa und Dänemark mittendrinn.
Nach dem Krieg kam der nächste Krieg und dann noch ein Krieg. Und dann kam wieder die Zeit der Fischer. Moderne Fangschiffe, die Wochen auf See bleiben konnten, prägten fortan das Bild des stetig wachsenden Hafens in Esbjerg. Aber Jahr für Jahr wurde es schwieriger, mit Fisch genug Geld zu verdienen. Und nach mehreren Jahrhunderten der Fischerei war es nun Zeit, das wirtschaftliche Überleben der Stadt mit einem neuen Industriezweig zu sichern. Öl. Zwar hatten die Esbjerger kein eigenes Öl, aber ihr Hafen lag günstig, um die Plattformen in der Nordsee mit Gütern, Ersatzteilen und gar ganzen, neuen Plattformen zu versorgen. Und so verdrängten rasch riesige schwimmende Arbeitsplattformen, Bagger und Kranschiffe die Fischereiflotte. Was blieb, waren ein paar wenige Küstenfischer.

Doch das Öl wurde immer günstiger und gerade in den letzten Monaten spüren die Esbjerger ganz stark, dass mit Öl auch nicht genügend Geld zu verdienen ist. Sehr rasch hat aber die Stadt nun wieder die Industrie gewechselt. Wind. In der Nordsee entstanden und entstehen weiterhin riesige Windparks. Und alle die Turbinen müssen auch mit Ersatzteilen und Arbeitern versorgt werden. Und so liegen nun im Hafen bis zu 40m lange Rotorblätter, 700 Tonnen schwere Sockelsäulen welche darauf warten, draussen in der Nordsee zu einem Windrad montiert zu werden.

Sehr ähnlich erging es auch dem Ziel unserer Überfahrt. Helgoland. Mit dem Unterschied, dass die Helgoländer die strategisch wichtige Lage der Insel besser nutzen konnten, sei es mal als Umschlagplatz für Schmuggler zur Zeit der napoletanischen Kontinentalsperre oder als wichtiger Kriegshafen in all den europäischen Kriegen des 19. und 20. Jahrhunderts. Die Helgoländer haben es immer wieder verstanden, aus dem kleinen Felsen, mitten in der Nordsee liegend, einen Nutzen zu ziehen und mit den unterschiedlichen Herrschaften, ein für beide Seiten lukratives Arrangement zu finden. Und noch heute wähnt man sich beim Besuch des Unter- oder Oberlandes in einem Piratennest. Eine verschworene Gesellschaft, wo man reingeboren wird oder immer Tourist bleibt. Früher als Badegast heute mehr als Vogelbeobachter oder Schnäppchenjäger. Denn Helgoland kennt keine Mehrwertsteuer. Auch wieder ein Arrangement mit der heutigen Obrigkeit. Eben, Piraten.

Die Überfahrt von Esbjerg nach Helgoland führt zuerst durch das dänische Wattenmeer, Teil des UNESCO Weltkulturguterbe und dann entlang der Küste von Sylt und Amrum nach Süden. Mit idealem Rückenwind, mässig hohen Wellen, etwas Regen, keine Sonne dafür aber teilweise stockdichtem Nebel hatten wir viel weniger lange, als gedacht. Die rund zwölf Stunden verbrachten wir aber meist unter Deck oder oben im Doghouse (festes, gegen achtern offenes Verdeck über dem Niedergang ins Boot). Bei dem feuchten, kalten Wetter kam einfach keine grosse Segelfreude auf. Und so schlief die eine Hälfte der Crew abwechslungsweise, während die andere Hälfte oben in den Nebel vor dem Bug starrte und Wache hielt.

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