Hummer Slalom

Eine Boje, etwa so gross wie eine 2l PET Flasche, bunt bemalt, und mit einer langen Leine mit dem auf dem Meeresgrund liegenden Stahlkäfig verbunden. Darin meist ein paar bemitleidenswerte Hummer, da bald bei lebendigem Leibe gekocht. Das ist ein Lobster Pot. Etwas mehr als 5’000 Fischer gibt es im US Bundesstaat Maine, jeder Fischer darf maximal 800 Lobster-Pots ausbringen. Bei einer «befischbaren» Fläche von rund 50’000km2 im Golf von Maine, ergibt das zirka pro 100m2 ein Pot. Das ist eine Fläche von 10 auf 10 Meter. Unser Boot misst etwas über 12 Meter in der Länge und 4 Meter in der Breite.

Diese Lobster Pots mit dem Boot zu überfahren, ist keine gute Idee. Schnell verfängt sich die Leine im Propeller oder am Ruderblatt. Und ist es mal passiert, bleibt nur übrig, mit Maske und Flossen, das Schiff wieder zu befreien. Das Meer ist zirka 15° Grad warm. Und die Crew wird nicht müde zu betonen, dass der Neopren Anzug viel zu gross sei und nur dem Skipper passen würde.

Also weichen wir aus. Im Slalom um jeden einzelnen Pot herum. «Hast du die Grünrote gesehen?» «Nein, ich hab’ aber direkt vor dem Bug eine blauschwarze Boje! Dreh’ nach steuerbord!» Und dann rumpelt es und hinter dem Boot taucht eine gelb-orange Boje auf. Nochmals Glück gehabt! Nachts und bei Nebel wird’s noch schwieriger. Also segeln wir nur an schönen Tagen. Macht auch mehr Spass.

Nach Besuch von Freunden in Boston sind wir gemeinsam mit Daria, der Schwester von Vera und Urs, ihrem Ehemann, quer über den Golf von Maine Richtung Mount Desert Island gesegelt. Landfall hatten wir in Matinicus. Eine kleine Insel, der Penobscot Bay vorgelagert, mit einer mörderischen Vergangenheit. Im Jahr 2009 kam es zu einer Schiesserei unter Fischern, wobei es um familiäre Streitigkeiten im Zusammenhang mit Fischgründen ging. Bis heute liest man davon in jedem Reiseführer und als Segler wird man davor gewarnt, auch nicht nur spasseshalber, einen Lobster Pot anzuheben und nachzugucken, ob es darin auch einen Lobster habe. Die Lobster Fischerei ist ein hartes Geschäft, die Konkurrenz ist riesig, die Ressourcen beschränkt und die Preise im Keller. Da hat es wenig Raum für Spässe.

Matinicus, einsamer, nebliger Vorposten im Atlantik. Felsige Küste, dunkle Wälder, unbefestigte Strassen und ein paar verstreute, meist recht desolate Häuser. Im Winter kaum 50 Einwohner, ein Flugfeld und eine Fähre, welche einmal wöchentlich in den Sommermonaten die Insel mit dem Nötigsten versorgt. Und eine Bäckerei. Dem Skipper gefiel es so gut, dass er vorschlug, noch einen Tag länger zu bleiben. «Das meinsch aber ned ärnscht?» war der Crews einziger Kommentar darauf.

Mount Desert Island hat dann aber allen so gut gefallen, dass wir gleich einen Monat geblieben sind. Im Herzen des Arcadia National Parks lagen wir in Northeast Harbour an einer Mooring Boje, gut geschützt vor den Ausläufern der Hurrikane Irma, Jose und Maria und nutzten die Zeit, um alle Gipfel des National Parks zu besteigen. Auch, wenn wir Schweizer bei einer Anhöhe von 400 Meter eher von Hügel sprechen, war jeder Gipfel ein wunderschönes Erlebnis. Der Aufstieg meist durch dichten Mischwald, später alpine Fauna und einzelne Klettereien und auf dem Gipfel von den Gletschern der Eiszeit blank geschliffene Felsenformationen, welche einen einmaligen Ausblick über die Inselwelt der Penobscot Bay und den Golf von Maine ermöglichen.

Mittags um Zwölf haben wir dann nach über einem Monat Mount Desert Island verlassen, genug Zeit, um bis Sonnenuntergang die US-kanadische Grenze zu erreichen. Schlagartig gibt es keine Lobster Pots mehr. In Kanada darf nur von November bis Mai nach Hummern gefischt werden. Sie steuern damit der Überfischung entgegen und sichern so den Fischern ein langfristiges Einkommen. Clever. Entspannt segeln wir in die Nacht hinein. Unser letzter, geplanter Nachschlag für dieses Jahr. Dafür nochmals so richtig. Mit Thermowäsche, Handschuhe und Mütze ausgerüstet, lösen wir uns mit der Wache im gewohnten Rhythmus ab.

Diese Hummer Fischerei geht uns nicht aus dem Kopf. Millionen von Hummer Fallen auf der einen Seite einer imaginären Linie auf der Weltkarte und keine einzige Falle auf der anderen Seite. Ob das die Hummer wissen? Hat Darwin recht, so fischen die Amerikaner nur doofe Hummer. Schmecken clevere Hummer anders? Wir müssen unbedingt in Nova Scotia nochmals Hummer essen.

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